Liegeplatznutzung und Aufstehverhalten
Ein artgemäßes Abliege-, Aufsteh- und Ruheverhalten hat einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere. Die optimale Gestaltung der Liegeplätze ist somit von hoher Bedeutung. Eine Reihe von Gesundheitsproblemen und Verhaltensstörungen lassen sich so bereits im Vorfeld vermeiden und das Wohlbefinden der Herde verbessern.
Liegeplatznutzung
Milchkühe zeigen u. a. beim Ruheverhalten eine ausgeprägte Herdensynchronität. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Verfügbarkeit von komfortablen Liegeplätzen sowie weiterer relevanter Ressourcen. Nicht optimal gestaltete Liegeplätze führen zu mangelnder Akzeptanz und zu reduzierter Liegezeit. Dies kann das Wohlbefinden von Kühen beeinträchtigen, das Auftreten von Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen begünstigen und sich zudem negativ auf die Milchleistung auswirken.
Die folgenden Indikatoren der Liegeplatznutzung geben in der Laufstall- und Anbindehaltung Auskunft über Verfügbarkeit und Qualität von Liegeplätzen und -flächen. Die Art und Weise der Liegeplatznutzung gibt dabei nähere Information zur speziellen Schwachstelle:
- Wenn Milchkühe 3 Stunden nach Futtervorlage noch nicht liegen, kann dies z. B. auf eine zu geringe Anzahl an Fressplätzen oder in der Anbindehaltung auf zu schmale Stände hinweisen.
- Kühe, die mit zwei Beinen in der Liegebox stehen, können eine falsche Nackenrohrpositionierung anzeigen.
- Kühe, die mit vier Beinen in der Liegebox stehen und sich verzögert ablegen, zeigen mögliche Schwächen in der Gestaltung der Liegeboxen und Qualität der Liegeflächen auf.
- Liegen Kühe nur unvollständig oder sehr schräg in der Liegebox/auf dem Stand, sind häufig Fehleinstellungen der Boxeneinrichtung die Ursache.
- Spalten-/Ganglieger zeigen fehlende Kapazitäten, falsche Einstellungen der Liegeboxen oder aber eine fehlende Eingewöhnung junger Kühe an dieses Haltungssystem an.
Beurteilung
Es wird die gesamte Herde (jede Gruppe laktierender sowie trockenstehender Kühe), gruppenweise beurteilt. Gezählt werden in jeder Gruppe alle Tiere, die 3 Stunden nach Futtervorlage:
Laufstallhaltung | Anbindehaltung | |
---|---|---|
aktiv mit der Futter- oder Wasseraufnahme beschäftigt sind | x | x |
vollständig auf der Liegefläche bzw. in der Liegebox liegen | x | x |
unvollständig auf der Liegefläche bzw. in der Liegebox liegen 1 | x | x |
mit zwei oder vier Beinen in der Box stehen 2 | x | |
vollständig außerhalb der Liegefläche liegend (Spalten-/Ganglieger) | x |
2 Tiere die mit zwei oder vier Beinen in der Box stehen werden nur in Liegeboxenlaufställen erhoben.
Die Gesamtanzahl Tiere pro beurteilter Gruppe wird ebenfalls notiert.
Übungen
Vor der Beurteilung der eigenen Kühe empfehlen wir, das Erlernte zu festigen. Weiterführende Übungen können Sie im Rahmen der Online-Schulung des Projektes EiKoTiGer absolvieren. Anhand von Fotos und Videos lassen sich dort die erworbenen Kenntnisse anschließend auch in einem Online-Test prüfen. Je nach Ergebnis können Sie sich ein Zertifikat ausstellen lassen welches belegt, dass Sie die tierbezogenen Indikatoren nach erfolgreich absolvierter Schulung fachgerecht anwenden können. Die Schulung können Sie kostenlos nach einer Registrierung über den „Login“-Bereich (mit Zertifikaterwerb) oder ohne Registrierung über den „Demo-Login“ (ohne Zertifikaterwerb) nutzen. Hier gelangen Sie direkt zur Schulung des Indikators Liegeplatznutzung in der Laufstallhaltung und hier zur Schulung des Indikators Liegeplatznutzung in der Anbindehaltung.
Berechnung
Die Tabelle gibt einen Überblick darüber, welche Teilindikatoren in welchem Haltungssystem berechnet werden können. Es wird empfohlen, die Teilindikatoren für jede (Haltungs-) Gruppe getrennt zu erheben und auszuwerten, um den gegebenenfalls vorhandenen Unterschieden in der Aufstallung Rechnung zu tragen (im Bedarfsfall sogar je Boxenfeld innerhalb einer Gruppe).
Laufstallhaltung | Anbindehaltung | |
---|---|---|
Stall Usage Index (SUI) | x | x |
Cow Comfort Index (CCI), modifiziert1 | x | |
Spalten-/Ganglieger | x | |
Unvollständig liegende Kühe | x |
Stall Usage Index (SUI) gibt vor allem Auskunft über:
- herdensynchrones Ruheverhalten
- Verfügbarkeit von Liegeflächen/Liegeboxen, die beispielsweise durch Überbelegung beeinträchtigt sein kann
- Liegeflächenqualität, vor allem Weichheit und Verformbarkeit
Cow Comfort Index (CCI), modifiziert gibt vor allem Auskunft über die Qualität und Ausgestaltung der Liegeboxen (Design, Untergrund und Dimension)
Spalten-/Ganglieger gibt vor allem Auskunft über:
- unzureichende Verfügbarkeit von Liegeboxen/Liegeflächen
- unzureichende Qualität der Liegeflächen
- Haltungsverfahren in der Jungviehaufzucht (z. B. fehlende Gewöhnung der Jungtiere an Liegeboxen)
Unvollständig auf der Liegefläche liegende Tiere in der Anbindehaltung geben vor allem Auskunft über:
- Dimensionierung und Design des Stand- bzw. Liegeplatzes
- Art und Einstellung der Anbindevorrichtung
Aus den jeweiligen Gruppenergebnissen können, je Teilindikator, durch die Bildung eines tierzahlgewichteten Mittelwertes, jeweils ein Herdenergebnis errechnet werden.
Info
Häufige Ursachen für eine unzureichende Liegeplatznutzung sind:
- eine zu geringe Anzahl an Fressplätzen
- unzureichende Verfügbarkeit von Liegeflächen bzw. Liegeboxen
- unzureichende Qualität und Ausgestaltung von Liegeboxen
- unzureichende Liegeflächenqualität (Weichheit, Verformbarkeit)
- fehlende Eingewöhnung junger Küh an das Haltungssystem
- unzureichende Dimensionierun und Design des Stand- bzw. Liegeplatzes
- unzureichende Art und Einstellung der Anbindevorrichtung
Ziel- und Warnwert
Die folgenden Zielwerte sollten erreicht werden. Beim Erreichen von Warnwerten sollten Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet werden.
Teilindikator | Zielwert | Warnwert |
---|---|---|
Stall Usage Index | ≥ 66 % | ≤ 50 % |
Cow Comfort Index (modifiziert) | ≥ 80 % | ≤ 70 % |
Spalten-/Ganglieger | ≤ 1 % | ≥ 3 % |
Unvollständig auf der Liegefläche liegende Tiere | ≤ 1 % | ≥ 3 % |
Aufstehverhalten
Der natürliche Aufstehvorgang der Milchkuh ist flüssig, kann aber durch die Abmessungen und Aufstallungsformen negativ beeinflusst werden. Abweichungen im Bewegungsablauf deuten auf Überforderungen der Anpassungsfähigkeit der Kühe hin und können zu Unsicherheit, Stress, Schmerzen und Verletzungen führen.
Im Boxenlaufstall können ein zu gering dimensionierter Kopfraum, Einengungen durch Kopfrohre, zu tief angebrachte Nackenrohre, muldenartige Liegeflächen, hohe Bugschwellen oder glatte Liegeflächen den Aufstehvorgang beeinträchtigen. In der Anbindehaltung wirken sich eine zu hohe Krippenrückwand, glatte Standflächen oder die Art der Anbindevorrichtung sowie ein unzureichender Bewegungsspielraum durch die Anbindung negativ aus.
Beurteilung
Es wird eine Stichprobe von mindestens 10 Kühen je Gruppe zufällig aus allen liegenden Kühen gewählt. In Gruppen mit weniger als 10 Kühen werden alle liegenden Tiere beurteilt. In Gruppen mit mehr als 100 Kühen werden 10 % der Tiere beurteilt. Die Beurteilung der Kühe erfolgt in der Ruhephase, wenn die Tiere liegen. Empfohlen wird eine Beurteilung ca. 3 Stunden nach Futtervorlage, z. B. nachdem die Liegeplatznutzung der Tiere überprüft wurde.
Liegende Kühe werden durch minimale Gesten (z. B. durch Ansprechen oder sanfte Berührung am Rücken) zum Aufstehen ermuntert. Dabei wird der Aufstehvorgang beobachtet. Bei Kühen, die selbstständig und ohne übermäßige Hast aufstehen, wird das Aufstehverhalten ebenfalls beurteilt. Kühe, die sich nicht zum Aufstehen animieren lassen, werden nicht beurteilt.
Ein nicht flüssiges Aufstehverhalten ist gegeben, wenn eines der genannten Kriterien beobachtet wird:
- lange Pause auf den Vorderfußwurzelgelenken (Karpalgelenken) (länger als 3 Sekunden)
- Schwierigkeiten beim Aufstehen (z.B. Wippen oder starker Kontakt mit Steuerungseinrichtungen im Kopfbereich)
- Abweichung von der normalen Bewegungsabfolge, z.B. pferdeartiges Aufstehen (d.h. zuerst mit der Vorhand aufstehend)
Notiert wird die Anzahl der Tiere, die ein nicht flüssiges Aufstehverhalten zeigen.
Für weitergehende Analysen wird empfohlen, das Aufstehverhalten je (Haltungs-) Gruppe auszuwerten, um den gegebenenfalls vorhandenen Unterschieden in der Aufstallung Rechnung zu tragen (im Bedarfsfall sogar je Boxenfeld innerhalb einer Gruppe).
Zur genaueren Erfassung der Dauer des Verharrens auf den Vorderfußwurzelgelenken wird die Verwendung einer Stoppuhr empfohlen.
Ablaufschema für ein normales Aufstehverhalten:
Der Kopfraum ist wichtig für den Kopfschwung beim Aufstehvorgang.
Um die Dauer des Verharrens auf den Vorderfußwurzelgelenken genauer zu erfassen, wird wie folgt vorgegangen:
Beispiel für ein flüssiges und ungehindertes Aufstehverhalten:
Beispiel für ein nicht flüssiges Aufstehverhalten:
Beispiel für pferdeartiges Aufstehverhalten:
Beispiel für ein nicht flüssiges Aufstehverhalten in der Anbindehaltung:
Beispiel für pferdeartiges Aufstehverhalten in der Anbindehaltung:
Übungen
Vor der Beurteilung der eigenen Kühe empfehlen wir, das Erlernte zu festigen. Weiterführende Übungen können Sie im Rahmen der Online-Schulung des Projektes EiKoTiGer absolvieren. Anhand von Fotos und Videos lassen sich dort die erworbenen Kenntnisse anschließend auch in einem Online-Test prüfen. Je nach Ergebnis können Sie sich ein Zertifikat ausstellen lassen welches belegt, dass Sie die tierbezogenen Indikatoren nach erfolgreich absolvierter Schulung fachgerecht anwenden können. Die Schulung können Sie kostenlos nach einer Registrierung über den „Login“-Bereich (mit Zertifikaterwerb) oder ohne Registrierung über den „Demo-Login“ (ohne Zertifikaterwerb) nutzen. Hier gelangen Sie direkt zur Schulung des Indikators Aufstehverhalten in Laufstallhaltung und hier zu dem Indikator Aufstehverhalten in der Anbindehaltung.
Berechnung
Der Anteil der Tiere, die nicht flüssig aufstehen wird wie folgt berechnet:
Info
Häufige Ursachen, die den Aufstehvorgang beeinträchtigen sind u. a.:
- zu gering dimensionierter Kopfraum
- zu tief angebrachte Nackenrohre
- zu hohe Bugschwellen
- zu hohe Krippenrückwand
- muldenartige oder zu glatte Liege- bzw. Standflächen
- die Art der Anbindevorrichtung bzw. ein unzureichender Bewegungsspielraum
Ziel- und Warnwert
Ziel ist es, dass der Anteil Kühe, die nicht flüssig aufstehen, bei ≤ 25 % liegt. Liegt der Anteil Kühe bei ≥ 50 %, sollten Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet werden.
Autorenschaft des Moduls 15 „Liegeplatznutzung und Aufstehverhalten“
Kornel Cimer, Dr. Solveig March, Dr. Jan Brinkmann (Thünen-Institut für Ökologischen Landbau, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Trenthorst 32, 23847 Westerau)